Die Frau von Stephan Baierl, die Psychiaterin ist, dürfte sich am Wochenende über ihren ausgeglichenen und entspannten Ehemann gefreut haben. Denn der Trainer des Fußball-Regionalligisten FC Memmingen hatte bereits am Freitagabend von seiner Mannschaft genügend Gelegenheiten erhalten, um während des Spiels in der Coaching-Zone mal so richtig die Sau raus- und bei der Pressekonferenz nach der Partie mächtig Dampf abzulassen.
Es kostete nicht nur den Memminger Übungsleiter reichlich Nerven, ehe gegen den SV Schalding-Heining nach der vierten Minute der Nachspielzeit der erste Saisonsieg des FC Memmingen unter Dach und Fach war. Vor 735 Zuschauern gewann der FCM das Duell der beiden Aufsteiger und Regionalliga-Rückkehrer 3:2 (2:1).
Obwohl sein Team im vierten Spiel der noch jungen Spielzeit den ersehnten ersten Dreier eingefahren hatte, konnte man nicht wirklich behaupten, bei der Pressekonferenz einen zufriedenen Memminger Trainer erlebt zu haben. „Das war unser bislang schlechtester Auftritt in dieser Saison – und der wurde auch noch belohnt. Ich will auf gar keinen Fall, dass das jetzt ein Dauerzustand wird: dass wir schlecht spielen und gewinnen“, schimpfte Stephan Baierl, der schon während des Spiels den Auftritt seiner Elf immer wieder lautstark und aufgebracht kommentiert hatte.
Auch Baierls Kollege Stefan Köck bekam von seiner Mannschaft lange Zeit recht wenig geboten, was an der Außenlinie zu seiner Beruhigung beigetragen hätte. Nach dem Spiel schüttelte Köck ungläubig den Kopf: „Es ist kaum zu fassen, dass wir in drei eigentlich selbstverständlichen Situationen drei Gegentore kassieren und in so einem Spiel nur zwei eigene Tore machen. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft Memmingen uns den Ball aufgelegt hat.“
Stephan Baierl wollte da nichts schönreden: „Wenn ich mich an unser bislang letztes Aufeinandertreffen in der Bayernliga erinnere, muss ich sagen, dass das damals von höherer Qualität war als das heute Abend.“ Zur Erinnerung: Am 18. März hatte der FCM den damaligen souveränen Tabellenführer Schalding-Heining in der Arena an der Memminger Bodenseestraße 2:1 geschlagen.
Bekanntlich stiegen beide Teams auf. Und trafen nun zum ersten Mal wieder als Regionalligisten aufeinander. Der FCM-Trainer hatte es schon vor der Begegnung geahnt, dass dabei wohl kein Schönheitspreis verteilt, sondern hart gekämpft werden würde. Und so kam es dann auch.
Nach der frühen 1:0-Führung, als Ardian Morina bereits in der vierten Minute von einem Torwartfehler profitiert hatte, und dem 2:0 durch Tiziano Mulas in der 20. Minute hoffte der Memminger Trainer, dass Ruhe ins Spiel seiner Mannschaft kommen würde. Doch dem war nicht so. Nach dem Anschlusstreffer zum 1:2 – Fabian Schnabel hatte in der 31. Minute einen Foulelfmeter verwandelt – hämmerte der eingewechselte Quirin Stiglbauer in der 78. Minute den Ball zum 2:2 in die Memminger Maschen. Der Zwei-Tore-Vorsprung der Hausherren war futsch. „Nach den beiden frühen Gegentoren haben wir super Moral bewiesen“, sagte Gäste-Coach Köck.
Die von Anfang an hitzige Partie stand nun buchstäblich auf des Messers Schneide. Und man fragte sich auf der Tribüne, auf welche Seite sie schließlich kippen würde. Es blieb spannend und hart. Bis zur 86. Minute: Dann schob Pascal Maier den Ball gefühlvoll an Keeper Böhnke vorbei ins lange Eck, sorgte für den 3:2-Siegtreffer und „Psycho-Hygiene“ im Hause Baierl.
Weiter geht’s für den FC Memmingen in der zweiten Runde des Toto-Pokals, am Dienstag ab 17 Uhr beim FC Pipinsried. Das nächste Spiel in der Regionalliga steht am kommenden Freitag ab 18.15 Uhr bei der DJK Vilzing (Tabellendritter) an.
Von Manfred Jörg – Allgäuer Zeitung vom 14.08.2023 – Foto (C) Siegfried Rebhan