Vom Regionalliga-Dino zum Remis-König der Bayernliga: Wohin führt der Weg beim FC Memmingen? Darüber berichtet das KICKER-Sportmagazin.
Der zweite Abstieg innerhalb von zwei Jahren hat beim FC Memmingen für einen Umbruch gesorgt. Am Wochenende steht das letzte Spiel vor der Winterpause an – Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Zehn der zwölf Saisons seit Gründung der Regionalliga Bayern spielte der FC Memmingen in der höchsten Amateurklasse – der zweite Abstieg binnen zwei Jahren bedeutete nun aber eine Art Zäsur. Denn die Allgäuer nutzten den bitteren Gang in die Bayernliga für eine Art Frischzellenkur: Nicht weniger als 18 Spieler verließen den Verein, im Gegenzug stieß nur eine Hand voll externer Neuzugänge zum FCM.
“Den Rest des Kaders haben wir komplett mit Akteuren aus U 19 und U 21 aufgefüllt”, betont Trainer Matthias Günes nicht ohne Stolz. Der 41-Jährige war im Vorjahr noch für die Memminger A-Junioren in der Bayernliga verantwortlich, stieg im Saisonendspurt jedoch zu den Herren auf – ohne den Abstieg letztendlich verhindern zu können. Im Gegensatz zu vielen Akteuren blieb Günes im Verein und kann nun die Früchte der – seit jeher – guten Jugendarbeit des FCM ernten: Schließlich gibt es nicht nur eine erfolgreiche U 19, auch die U 21 spielt als Landesligist auf Verbandsebene und somit nur eine Liga unter der ersten Herrenmannschaft – laut Günes ein Riesenvorteil.
Reise ins Ungewisse – Stabilität als Erkennungsmerkmal
Ganz so einfach ist die Rechnung dann aber nicht, denn ein großer Umbruch als Absteiger ist schon so manchem Verein zum Verhängnis geworden. “Auch für uns war es ein bisschen eine Reise ins Ungewisse. Daher haben wir uns aus sportlicher Sicht schnell auf das Thema Stabilität geeinigt, um nicht in ganz anderes Fahrwasser zu geraten”, war sich Günes jener Thematik vor dem Saisonstart bewusst.
Mit vier Siegen aus den ersten fünf Begegnungen waren derartige Befürchtungen allerdings schnell beiseitegeschoben – den Fokus auf eine stabile Defensive behielten die Allgäuer jedoch bei. “Natürlich beschäftigt uns das Gegenthema mit der Offensive. Da suchen wir noch immer nach Lösungen, die wir konstant auf den Platz bringen. Ich bin aber kein Freund davon, während einer Saison alles über Bord zu werfen und im schlimmsten Fall eine neue Baustelle aufzumachen”, kennt der Trainer den vermeintlichen Schwachpunkt seiner Truppe.
Im Fußball könne man zudem selten alle Problemzonen gleichzeitig zufriedenstellend abdecken, sodass die Memminger den Schwerpunkt von hinten nach vorne setzten. Eine Herangehensweise, die sich ebenso im Torverhältnis widerspiegelt: Während die Truppe mit 28 Toren in 20 Partien in diesem Aspekt nicht einmal in den Top-10 der Liga liegt, weist man defensiv mit nur 15 Gegentoren den zweitbesten Wert der Liga auf. “Offensiv wurde es zuletzt besser und mit unserer sehr guten Stabilität sind wir immerhin sehr schwierig zu besiegen”, bilanziert Günes mit Verweis auf die wenigsten Niederlagen aller Mannschaften (zwei).
Einziger Wermutstropfen sind gleich neun Remis, die eine bessere Positionierung als Rang 4 verhindern. Für manchen Außenstehenden zu wenig – eine Erwartungshaltung, die der Übungsleiter jedoch umgehend dämpft: “Gerade in der Offensive sind wir sau jung und dann fehlt teilweise ganz banal die Erfahrung – manchmal würde schon reichen, wenn wir uns richtig in Position bringen. Die Jungs bekommen jedoch die Zeit zur Entwicklung, denn wir gehen den Weg mit den jungen Spielern aus Überzeugung.”
Musterbeispiel 1860 München häufiger gewünscht
Und doch hegt auch der Trainer Hoffnung auf eine noch erfolgreichere Rückrunde und will mit seiner Truppe bis zum Schluss oben dabeibleiben. Helfen dabei sollen zwei Dinge: Einerseits eine mutige Denkweise in der Vorbereitung mit Fokus auf die offensiven Abläufe, andererseits die individuelle Entwicklung der Youngsters. “In der Phase ztut den Jungs die Erfahrung aus dem halben Jahr Herrenfußball unheimlich gut, daher versprechen wir uns bei dem Potenzial schon, dass wir zwei, drei Jungs in der Rückrunde noch eine ganze Ecke weiterbringen”, erklärt Günes und meint dabei nicht ausschließlich höhere Qualität im eigenen Spiel, sondern auch eine verbesserte Konstanz.
Denn zu häufig sei der FCM noch schwankend unterwegs und verschenke mit 20 schwachen Minuten Punkte. Wie viel Potenzial die Truppe tatsächlich hat, mussten unter anderem die Profis vom TSV 1860 München erfahren. Im Pokalspiel Anfang September schnupperte der FCM lange an einer Überraschung, musste sich nach einem Gegentor in der Nachspielzeit aber doch noch geschlagen geben. Dennoch dient die Partie als Musterbeispiel für 90 konzentrierte Minuten der jungen Mannschaft – ein Auftreten, das spätestens nach dem Winter zur Gewohnheit im Allgäu werden soll.
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Von Simon Ruß – KICKER-Sportmagazin vom 27.11.24 – Fotos (C) Olaf Schulze, Paul Meckes