Der 58-jährige Thomas Reichart hat kürzlich bei der U21 des FC Memmingen im Tor ausgeholfen. Seine Mitspieler, die seine Söhne sein könnten, haben das bei WhatsApp entsprechend kommentiert, berichtet die Memminger Zeitung und hat bei Reichart nachgefragt:
Im Alter von 58 Jahren hat man als Sportler in der Regel seine aktive Karriere beendet. Das gilt auch für Torhüter Thomas Reichart. Wegen eines personellen Engpasses sprang der Dritte Vorsitzende des FC Memmingen jetzt aber in der Vorbereitungsphase bei der U21 des FCM ein. Grund genug für unsere Redaktion, ein augenzwinkerndes Interview mit Reichart zu führen. Denn er ist nicht nur einer von denen, die bei jedem Heimspiel des FCM im Hintergrund ackern, sondern auch einer, der jede Menge Spaß versteht.
Herr Reichart, wie kam es zu ihrem Comeback? Wurden Sie gefragt – oder haben Sie sich selbst angeboten?
Thomas Reichart: Es war bei der Mannschaftspräsentation im Clubhaus, als ich mitbekommen habe, dass wegen der Verletztenmisere bei den Torhütern in der U21 wohl ein Feldspieler ins Tor muss. Daraufhin habe ich Eddy Weiler (Sportlicher Leiter der U21, Anm. d. Red.) mehr im Spaß gefragt, ob er einen Torwart braucht. Trainer Markus Schaich war auch einverstanden, und so war ich im Kader. Mein Spielerpass war noch vorhanden beziehungsweise hatte ich noch eine Spielberechtigung, sodass ich auf den elektronischen Spielberichtsbogen gelangen konnte. Interessanterweise sah das Programm mein Geburtsjahr aber gar nicht mehr vor. Aber das genaue Geburtsdatum konnte immerhin eingegeben werden.
Wie lange haben Sie nicht mehr für ein Team des FC Memmingen gespielt?
Reichart: Spiele der AH („Alte Herren“, Anm. d. Red.) auf dem Großfeld, die aber auch schon lange zurückliegen, nicht mitgerechnet, war mein letztes Pflichtspiel für den FCM am 5. September 2004 in der damaligen Bezirksoberliga Schwaben. Die Zweite Mannschaft stand auch damals ohne Torhüter da – und ich bin eingesprungen. Wie lange ich davor kein Ligaspiel mehr bestritten hatte, kann ich jetzt nicht mehr genau sagen, das war aber wohl in der Vorsaison. Jedenfalls war es ein Auswärtsspiel beim FC Affing, das 0:0 endete.
Sind Sie sportlich noch aktiv? Oder wurden Sie einfach aus dem Torhüter-Ruhestand ins kalte Wasser geworfen?
Reichart: Sportlich bin ich schon noch aktiv. Ohne Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen geht’s nicht. In erster Linie Joggen und Rennradfahren. Bei der AH, den „Attraktiven Herren“, wie ich sie nenne, spielen wir aber nur auf dem Kleinfeld. Hin und wieder spiele ich mit Freunden meiner Tochter, über die der Kontakt zustande kam, Hobbyturniere. Die Truppe nennt sich „Arsenal Longdong“ und nimmt an Kleinfeldturnieren teil. Das macht richtig Spaß, und erfolgreich sind wir auch: vergangenes Jahr in Hawangen Platz fünf und in Lachen Dritter. Heuer beim Nachtturnier im Gipfelstadion in Böhen haben wir den zweiten Platz erreicht.
Mit 60 dann in der „Ersten“
Für die Nachgeborenen: Von wann bis wann waren sie als Torwart für den FCM aktiv?
Reichart: Angefangen hab’ ich beim FCM in der D-Jugend und hab’ alle Jugendmannschaften durchlaufen. Nach einem Jahr im Herrenbereich beim FCM spielte ich in verschiedenen Verein, davon jeweils fünf Jahre beim FC Leutkirch und SV Tannheim. Tannheim sollte eigentlich meine letzte Station sein. Doch dann meldete sich der FCM wieder, und ich wechselte im zarten Fußballeralter von 35 zur Saison 2001/2002 wieder zum FCM. Im Übrigen zusammen mit Gerhard Staiger vom TSV Babenhausen, der jüngst das Hochwasser-Benefizspiel eingefädelt hatte. Damals wurden wir in der Memminger Zeitung als „Kukident-Kicker“ bezeichnet (lacht).
Wie hat sich das jetzt angefühlt, wieder zwischen den FCM-Pfosten zu stehen?
Reichart: Um es mit Andreas Möller zu sagen: „Vom Feeling her hatte ich ein gutes Gefühl.“ Es hat Spaß gemacht, und ich war im Großen und Ganzen zufrieden.
Was haben Ihre Mitspieler gesagt, die ja allesamt Ihre Söhne sein könnten?
Reichart: Stimmt, könnten sie. Mein Spielrecht für den FCM besteht seit 2. Oktober 2001. Da waren die Jungs noch gar nicht geboren (lacht). Was sie vorher gesagt oder besser gedacht haben, weiß ich nicht. Hinterher waren sie zufrieden, zumindest dem Chat-Verlauf in ihrer WhatsApp -Gruppe nach, der mir in Auszügen zugespielt wurde. „Können wir den behalten?“ war sinngemäß eine der Aussagen.
Sind weitere Einsätze denkbar? Kann der FCM auch künftig auf Sie als Torwart zählen?
Reichart: Mit Trainer Matthias Günes habe ich schon gesprochen, dass ich in eineinhalb bis zwei Jahren mit der Rückennummer 60 für die Erste Mannschaft im Tor stehen will.
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Memminger Zeitung vom 23.07.2024 – Archivfoto (C) Olaf Schulze